Letztens bin ich im Internet auf einen „interessanten“ Comic gestossen.
„Andi“, herausgegeben vom Innenministerium NRW. Mit diesem Comic soll Jugendlichen der Begriff Extremismus besser erklärt werden. Es gibt zur Zeit drei Bände, in Band 1 geht es um Rechtsextremismus, in Band 2 um Islamismus und Band 3 beschäftigt sich mit Linksextremismus. Es gibt immer eine kleine Geschichte, in der Andi und seine Freunde mit Extremismus konfrontiert werden. Zwischen den Teilen mit der Comic Geschichte ist immer mal wieder eine Seite mit Informationen über das Thema (rechtsextreme Codes, islamistische Propaganda im Internet usw) eingefügt. Generell ist die Idee ja gut, Jugendliche mit Hilfe von neuen Medien über Gefahren von Extremismus zu informieren. In diesem Fall muss man aber sagen:
Thema verfehlt.
Nehmen wir mal Andis Freunde. Die Kerngruppe besteht aus Andi, Murat, Ayshe und Ben.
Über Andi, der ja immerhin die Hauptperson der Geschichte ist, lässt sich nicht viel sagen. Er wirkt die ganze Zeit so, als würde er gleich einschlafen. Selbstverständlich steht er auf Computerspiele („Teufel 2“, wohl eine Anspielung auf Diablo 2, was ja auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat.) Weiterhin ist er wohl in Ayshe verliebt.
Murat ist Türke, trägt Hip-Hop Klamotten, hat schlechte Noten und ist gut in Sport. Ich bin verdammt froh, das sein Vater keine Dönerbude hat oder bei der Müllabfuhr arbeitet, damit wäre das Klischee dann wohl vollkommen.
Über Ayshe erfährt man auch nicht viel. Sie trägt ein Kopftuch, obwohl ihr Vater im Islamismus-Comic als liberaler Muslim auftritt.
Ben ist letzten Endes so ein bisschen alternativ und punk-mässig angelegt. Selbstverständlich ist er es dann im dritten Comic, der sich für die Linksextremen interessiert.
Was mir direkt auffiel: Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, mit all den Szenen und Grüppchenbildungen, dann wären vier so unterschiedliche Typen wohl kaum dicke Freunde gewesen. Vielleicht ist das mittlerweile ja anders, keine Ahnung.
So, im ersten Comic geht es um Rechtsextremismus. Die Rechten verteilen natürlich CDs auf dem Schulhof, der Anführer der Gruppe trägt den wohlklingenden Namen „Eisenheinrich“, und im Hintergrund agiert natürlich ein Typ mit Anzug und Sonnenbrille, der mit den auf der Schulhof CD angebotenen Merch-Artikeln dick Kohle machen will. Selbstverständlich ist der Kerl arbeitslos.
Ich für meinen Geschmack fand das ziemlich überladen. Man kann über die Rechten auch anders informieren, ohne so tief in den Klischeetopf zu greifen. Allein das Outfit von Eisenheinrich und seinem Kumpel. Stiefel, Jeans und grüne Bomberjacke. Also ein klassisches Skinhead-Outfit. Die Rechten mögen ja in den Achtzigern so rumgelaufen sein, mittlerweile ist wohl eher Streetwear oder „brave“ Kleidung angesagt.Selbst die Boneheads, Rechtsextreme die sich selbst als Skinheads bezeichnen, laufen eher in Schwarz rum.
In den anderen Comic Bänden geht es so in dem Stil weiter. Ich kann mir nicht vorstellen dass sich Jugendliche davon ansprechen lassen.
Eine kleine Anmerkung noch zu dem Thema:
Im letzten Comic geht es ja um Linksextremismus. Ben bekommt, natürlich auf einem Punk-Konzert der Gruppe „Anti Alles“, Kontakt zur linken Szene. Die verführen ihn sofort zur Sachbeschädigung (Grafitti) und nehmen ihn mit zu einem Plenum, auf dem Ben natürlich nix versteht. Bens Kontakt in die linke Szene trägt den tollen Spitznamen „Randale“, meiner Meinung nach genauso albern wie „Eisenheinrich“
Zum Showdown kommt es auf einer Anzi-Nazi-Demo, die selbstverständlich in Gewalt ausartet. Der Kiosk, an dem Andi und seine Freunde immer einkaufen, wird natürlich gleich mal mit zerlegt. Während der Demo vergleichen Bens Freunde autonome Nationalisten, zu denen mittlerweile auch Eisenheinrich und seine Freunde gehören, mit autonomen Linken: „Die reden voll den gleichen Quark-Und aussehen tun sie auch gleich-Aber sie hassen sich wie die Pest….“
Ziemlich platt, oder?
Ok, es stimmt, einige Linke hören sich verdammt gern reden und müssen alles totdiskutieren. Das wussten schon Monty Python in „Das Leben des Brian“. Und ja, Linksautonome und autonome Nationalisten sehen sich ziemlich ähnlich, was aber daran liegt, das die Rechten den Stil kopiert haben. Ich find es ziemlich albern. Bei ner Demo laufen die Linken in Schwarz auf, die Rechten sind schwarz gekleidet, und dazwischen die Bullen in ihren neuen dunklen Uniformen…
Das ist doch ziemlich eintönig, oder? 🙂
Und was die Randale angeht: Ich hab das Gefühl das sich in der linken Szene etliche Kiddies tummeln, die einfach nur ihren Frust rauslassen wollen und sich austoben. Dafür hab ich kein Verständnis. Man erreicht keine politischen Ziele, indem man Privatautos anzündet oder kleine Einzelhändler plündert. Auf der diesjährigen 1.Mai Veranstaltung in Berlin, glaube ich, wurde ein Typ festgenommen,d er Steine auf Bullen geworfen hat. Bei der Personalienfeststellung kam raus, das der Kerl selber Bereitschaftspolizist in nem anderen Bundesland ist. Mittlerweile ist er den Job los denke ich.
Soviel dazu.
Aber was ich eigentlich erzählen wollte:
Von dem dritten Andi Comic fühlte sich eine kleine Antifa-Gruppe wohl persönlich angegriffen. Als Konteraktion brachten sie ihren eigenen Comic raus: „Mandi“
Fängt ja schon gut an.
Der Comic beschäftigt sich mit Party-Patriotismus und Nationalismus während der Fussball WM. An sich ein wichtiges Thema, wie ich finde, und die Qualität des Comics ist gemessen an der Grösse der Antifa-Gruppe echt nicht schlecht gemacht.
Aber auch hier: Thema verfehlt.
Es werden wieder sämtliche Klischees bedient, Mandi und ihre Freundin werden dumm angemacht, weil sie keine Deutschlandfahne dabei haben: „Ihr seid wohl nicht für Deutschland? Seid wohl Spaghettifresser, was? Frauen haben beim Fussball eh nichts verloren“ Unnötig zu erwähnen, das auch eine schwarz-weiss-rote Fahne geschwenkt wird. Später wird Mandis Freundin Büsra auch angemacht: „Türkin, oder? Was will die denn hier? Die kann doch Fussball in der Dönerbude gucken“
Das wirklich dämliche ist aber: Während bei Andi das Thema Extremismus nur angeschnitten wurde, und zwar vollkommen ausreichend, verliert sich Mandi in seitenlangen Essays. (Sprach ich vorhin nicht von Linken die sich gerne reden hören? 🙂 )
Die Einleitung des Comics umfasst sechs Seiten, und der eigentlich Comic geht zwischen den Erklärungen unter. Lustigerweise schreiben die Macher des Comics, die Erklärungen würden zu kurz kommen und verweisen auf eine Webseite zur weiteren Information. Hab ich bei Andi schon nicht geglaubt, das er Jugendliche anspricht, bin ich mir bei Mandi sicher, das sie die Zielgruppe nicht interessiert.
Natürlich wird bei Mandi die Schreibweise Freund_innen oder Teilnehmer_innen verwendet. Man will ja niemanden ausschliessen. Seltsamerweise lese ich bei solchen Publikationen nie von Mörder_innen oder Terrorist_innen.
Lustig, jetzt hab ich zu einem so belanglosen Thema über 1000 Worte geschrieben…
Ein kleiner Nachtrag: Comics zur politischen Meinungsmache sind nix Neues. Es begann mit Karikaturen über den jeweiligen politischen Gegner. Im Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Walt Disney Filme wie „The Fuhrers Face“. Rolf Kauka versuchte mit seiner grausamen Asterix-Übersetzung Stimmung gegen die Besatzung durch die Westmächte, die Bonner Regierung und die DDR zu machen. Der brave Igel Mecki machte einen Ausflug ins „Zigeunerland“.
In den Achtzigern musste mal wieder Asterix herhalten. Die Protestbewegung veröffentlichte mehrere Hefte, unter anderem „Asterix und das Atomkraftwerk“
2005 erschien im Internet ein PDF namens „Asterix und der Kampf ums Kanzleramt“.
Und letztes Jahr erfreuten uns die Deppen von der JN mit ihrem Comic: „Enten gegen Hühner“ Ok, das man darüber lacht war wohl eigentlich nicht beabsichtigt.